Interview und mehr...

„Ich komme von überall her.“
Boris Menrath
Ana, Irina und Marina aus der Dokumentationsgruppe konnten mit dem Leiter des Jugendcamps, Herrn Dr. Menrath, folgendes Interview machen:
Woher kommen Sie?
Ich komme von überall her(lachen). In Zagreb bin ich geboren, in Bosnien habe ich als Kind gelebt und meine Jugend verbrachte ich in Heidelberg. Als Deutsch- Lehrer habe ich in verschiedene Städten wie Mexico City, Buenos Aires, Belgrad und Köln gearbeitet.
Welchen Sprachen sprechen Sie?
 Serbo-Kroatisch, Deutsch, Spanisch, Englisch, Russisch und ein bisschen Französisch.
Welche Hobbys haben Sie?
Ich kümmere mich darum, dass es meiner Frau immer gut geht (lachen). Und dann kommt  Golf spielen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen dieses Jugendkamp zu organisieren?
Das habe ich nicht allein gemacht. Viele Deutsch- Lehrer aus Süd-Ost-Europa haben mir geholfen. Wir haben uns in Dubrovnik getroffen und über dieses Jugendkamp gesprochen.
Welche Probleme hat es gegeben?
Es gab immer viele Probleme, über die  ich einen ganzen Tag sprechen könnte (lachen).
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir nur eine gute Zukunft für dieses Stück Europa.
Werden wir uns wieder sehen?
So Gott will!


3:0 für die Begegnung


Stefany  Krath
„1:0 für Schiller – wir sind die Theaterkiller!“ schreit es über den Platz. Die Literaturgruppe feuert  ihre Mannschaft an. Jungen und Mädchen bunt gemischt, aus dem Kosovo, aus Albanien, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegovina, Slowenien und Kroatien jagen hinter dem Ball her. Hier zählt nicht die Herkunft, hier zählt das Team. Literatur, Musik, Film, Foto, Architektur, Kunst, Musik und Dokumentation, über die Ländergrenzen hinweg sind sich die 15-17-Jährigen in den letzten drei Tagen begegnet. Haben gemeinsam an ihren Projekten gearbeitet, zusammen gegessen, abends gefeiert, und natürlich Fußball gespielt. Haben sich dabei kennen und schätzen gelernt. Immer wieder höre ich, dass sie ihre E-Mail-Adressen ausgetauscht haben, sich in Zukunft auf Facebook treffen wollen und einige sogar schon Pläne für ein gegenseitiges Treffen im nächsten Sommer schmieden. Die Begegnung hat stattgefunden. Für mich als Journalistin ist es das erste Jugendcamp, das ich begleiten durfte. Als Chefredakteurin der Zeitschrift "Begegnung" konnte ich miterleben, wie Begegnung gelebt wurde und wie aus der Begegnung eine Vernetzung entstand. Gefunden haben sich diese Jugendlichen auf Deutsch, denn das ist die einzige Sprache, in der sich alle verständigen können – Schüler wie Lehrer. Begegnung, Austausch und Vernetzung - das ist auch das, was ich in Einzelgesprächen sowohl mit den Jugendlichen als auch mit den Erwachsenen immer wieder heraushöre. Und nicht nur die Lehrer schmunzeln während des Fußballturniers, als sie auf einem selbstgemachten Fan-Plakat den bedeutungsvollen Satz entdecken: „Ich habe fertig“


Stimmen zum Camp
Miloš Kopitović (Literaturgruppe):
Das Camp war sehr interessant, weil ich viele neue Leute kennengelernt und Freundschaften geschlossen habe. Die Witze, die mir die Jungens aus Bosnien erzählt haben, waren spitze. Am besten ist, weil wir nicht in der Schule müssen gehen. Für Entspannung haben wir einen Schwimmbad. Da ist nur eine Nachteile: unsere Badezimmer zu klein sind. 
Blenoli Islami (Kunstgruppe):
Wir treffen neue Leute und  lernen andere Kulturen kennen.
Katarina Trajković (Musikgruppe):
Ich habe viele Leute kennen gelernt, hatte viel Spaß, ich habe viel Sport getrieben und neue Freundschaften gebaut.
 Laurenta Gashi (Filmgruppe):
Ich bin nicht zufrieden, dass ich die Serben und die anderen, die Serbisch sprechen, nicht verstehen kann. Aber das Essen war besonders wunderbar.
Alba Kuci (Filmgruppe):
Das Camp hat mir sehr gut gefallen. Es war sehr gut organisiert, wir sind sehr kreativ, das Essen war ausgezeichnet, wir haben viel Spaß an diesem großen Platz. Ich glaube, dass das Schwimmbad ein bisschen schmutzig ist und schlecht riecht.
Ana Kovačič (Dokumentationgruppe):
Ich habe viele neue Leute kennen gelernt, das Essen war sehr lecker, die Zimmer waren sehr schön (bis wir kamen :-)), ich hatte viel Spaß in der Zusammenarbeit. 
Petra Kerep (Musikgruppe):
Die Arbeit in Gruppen gefällt mir sehr, wir haben neue internationale Freundschaften gebaut, die Fahrt nach Belgrad war wunderschön, wir haben Regeln gebrochen und waren auch noch sehr laut. (Anmerkung Lehrer: Das stimmt!!!) Aber das Jugendkamp war zu kurz!

Luka Miküa (TheaterGruppe):
Es war sehr gut, weil das Programm sehr interessant war. Für mich gab es an diesem Camp keine Nachteile.
Nora Bislimi (Theatergruppe):
In diesem Camp gibt es gar nichts, das schlecht ist.
Sanja Vićentijević (Kunstgruppe):
Am besten ist das Camp, um Deutsch zu lernen und neue Leute kennen zu lernen. Es war ganz toll, dass wir ein Schwimmbad hatten. Aber das Camp hat zu kurz gedauert.
Ahmed Halvgić (Literaturgruppe):
Dieses Camp ist super, wir sind ohne Eltern und wir gehen nicht in die Schule. Wir hatten auch eine Disko, aber die Musik gefiel mir nicht so besonders.
Shkumbim Krasniqi (Doku-Gruppe):
Ich hatte mir den Urlaub anders vorgestellt J. Wir haben sehr viel gearbeitet!!!


Balkanische Sprachverwirrung
How to learn a novi jezik
Thema heute: die nötige Motivation.
Man nehme: sechzig Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern des Balkans, die sich alle verständigen können, und stecke sie in eine kommunikationsfördernde Umgebung. Darauf folgt die unauffällige Bespitzelung der Gesprächsteilnehmer.
Falls man sich  noch keinerlei grammatikalische Kenntnisse der betreffenden Fremdsprache angeeignet hat, sollte man sich sofort ins Geschehen stürzen. Leider wird man sehr früh merken, dass die slawischen Sprachen in keinster Weise mit dem Deutschen vergleichbar sind.
Und voilá! Da ist die Motivation!
Ich würde am liebsten sofort einen Sprachkurs belegen. Noch nie hatte ich so viele Lehrer auf einmal. Alle wollen die Besonderheiten ihrer Sprache mit mir teilen, vor allem weil sie wissen, dass meine Bosnisch-/Serbisch-/Kroatischkenntnisse noch sehr rudimentär sind.
Der Grund: Ich wohne erst seit einer Woche in Sarajevo, meiner neuen Heimat für elf Monate, die ich im Zuge eines Freiwilligen Sozialen Jahres im Bereich Kultur hier verbringen werde.
Zu meinem Aufgabenbereich zaehlen DSD-Unterricht, Schulprojekte und auch Seminare wie dieses. Da ich selbst gerade mein Abitur abgelegt habe, ergeben sich viele Themen, über die ich mit den Schülern hier sprechen kann – auf deutsch natürlich.
 Womit wir wieder bei der Motivation angelangt wären: Auch die Jugendlichen brennen darauf, ihre Deutschkenntnisse zu erweitern.
Theresia Bachmeier aus Bayern, macht z. Zt. in Sarajevo ein freiwilliges soziales Jahr


Der passende Text zum Camp

- zum Selbst-Herausfinden: Was hat der "Briefträger" mit unserem Begegnungs-Camp zu tun ... -


Briefträger
»Heutzutage ist der Ausländer ja scheinbar an allem schuld. An der Arbeitslosigkeit,
an der Wohnungsnot, am Finanzchaos, an der vermurksten Wiedervereinigung, an
der CDU. Jetzt rufen sie »Deutschland den Deutschen«. Dann stellen wir uns mal
vor, sagt der Ausländer auf einmal: »Jut, wenn ihr uns hier nicht haben wollt, dann
gehn wir eben, Tschöö!« Dä, jetzt sind die Ausländer weg und die Probleme sind
immer noch da. Sogar noch ein paar ganz beträchtliche dazu. Ist doch der Deutsche
schuld. Aber wer? Lassen wir mal gerade überlegen, wen nehmen wir jetzt? Der
Behinderte. Der Behinderte ist schuld. Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg, die
nehmen uns die Rollstühle weg, die nehmen uns die Parkplätze weg. Diese ganzen
Behindertenparkplätze. Und das bei dieser Parkplatznot. Man kann doch so einem
Behinderten keinen Parkplatz geben, wenn man selber keinen hat. Jut, sagen die
Behinderten, gehen wir eben woanders hin, macht euren Scheiß allein. Dä, Sündenbock
weg, Feindbild kaputt, Probleme immer noch da. Wat machemer? Kaputt, en
neu! Der Briefträger? Genau! Der Briefträger ist ja von Natur her gar nicht vorgesehen,
das merkt man ja schon an den Hunden, die bellen sofort, die beißen den; wenn
sich schon die Natur dagegen wehrt, muß der raus. Ist ja völlig unnatürlich. Außerdem
bringt der ja alles Schlechte, alles Böse, alles Schlimme, das kommt ja alles
vom Briefträger. Die Mahnbescheide, die Entlassungen, die Rechnungen, die Todesanzeigen,
wer die Nachricht überbringt, ist auch Täter. Die Briefträger, das sind ja
auch ‘ne ganz andere Kultur, die passen ja nicht hierhin. Sie müssen mal gucken,
wenn die morgens ausschwärmen, mit ihren blauen Taschen und komischen Karren,
das sind ja quasi Nomaden. Ich hab sogar gehört, die pinkeln teilweise ins Gebüsch.
Ich meine, ich hab’s jetzt persönlich nicht gesehen, aber die sollen auch schonmal
auf den Bürgersteig kacken. Ich hab das selbst noch nicht gesehen, aber sagt man.
Das kann ja auch nicht alles von den Hunden kommen. Ich mein’, die sind ja auch
den ganzen Tag unterwegs, ist ja klar, daß da mal die Notdurft kommt. Aber dann
dürfen sie sich auch nicht wundern, daß der Bürger hinterher sagt, daß das so nicht
geht. Ich bin nicht briefträgerfeindlich, ich kenne einen, der ist sogar ganz nett, aber
wenn das jeder machen würde, wo kämen wir da hin. Wir sind kein Zustellerland. Der
Briefkasten ist voll. Da sind ja auch viele Scheinbriefträger dabei. Müssense mal
gucken, was die zum Teil für Scheine in der Tasche haben. Die wollen ja in Wirklichkeit
nur hier arbeiten und ihr Geld verdienen. Gucken Sie mal in Ihren Briefkasten,
der ist doch überflutet von Scheinpost, Werbesendungen, Pseudobriefen. Da wird
doch auch viel Mißbrauch getrieben. Und eben deshalb ist das richtig, daß jetzt
endlich das Grundgesetz geändert wird. Weil da auch Mißbrauch mit betrieben wird,
schaffen wir gleich die ganze Post ab...«
(Jürgen Becker/Didi Jünemann: Arsch huh – Zäng ussenander. Kölner gegen Rassismus
und Neonazis, Köln 1992, S. 85 f.)